Leipziger Verallgemeinerlei
Es begann in einer
Kneipe in Oldenburg und endete in einem Leipziger Hotel: Nachdem Sebastian
bereits im August 2017 Niedersächsischer Landespokalsieger wurde,
wie
an dieser Stelle berichtet, konnte er nun am Finale um den
Deutschen Pokal teilnehmen, welches in Leipzig stattfand. 32 Teilnehmer,
also in der Regel die Landespokalsieger und -finalisten, spielten
nach dem K.O.-Modus, allerdings konnten die Verlierer weitermachen nach
dem bekannten Schweizer System, d.h. am Ende kam jeder Teilnehmer auf 5
Turnierpartien. Nur Pokalsieger konnte man nach einer Niederlage natürlich
nicht mehr werden Zum Modus gleich mehr.
Das Turnier, auch bekannt
als Dähne-Pokal, benannt nach dem früheren DSB-Präsidenten,
begann mit einer Doppelrunde am Donnerstag und endete mit einer Runde am
Samstag. Etwas ungewöhnlich, und für die Leute, die aus Bundesländern
kommen, in welchen der Reformationstag kein Feiertag ist, und die wg. der
Doppelrunde auch noch einen Tag früher anreisen mussten, bedeutete
das, drei Urlaubstage und eine zusätzliche Übernachtung einzuplanen.
Vielleicht keine so clevere Terminauswahl.
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H4-Hotel. Randlage
eben.
Zur Innenstadt waren
es 15 Minuten.
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Der Spielsaal.
Oder ein Teil davon.
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Die Pokalendrunde fand
zusammen mit dem Finale der Deutschen Amateurmeisterschaft statt. Allerdings
mischte man die beiden Turniere im Saal durcheinander, und man musste immer
gucken, an welchen Brettern denn jetzt die Pokalleute saßen. Leider
wurde das Turnier auch sehr stiefmütterlich behandelt hinsichtlich
der Berichterstattung. Selbst am Tag vorher gab es nicht mal auf der Seite
des DSB eine Ankündigung irgendeiner Art, auch die Seite der Amateurmeisterschaft
schwieg sich aus. Immerhin stellte man einige Livebretter zur Verfügung
und die Übertragung ins Netz funktionierte gut. Wenn man mal irgendwann
den Link gefunden hatte.
Leipziger Zweierlei
Nachdem wir uns am
Mittwoch Nachmittag durch nicht mehr zählbare Staus und Baustellen
gekämpft hatten, erreichten wir am Abend Leipzig. Wir wohnten im Spiellhotel,
welches zur Ramada-Kette gehört. Die Zimmer waren wirklich sehr gut,
und auch der Spielsaal war an sich recht hell und vernünftig. Die
Auftaktrunde am Donnerstag sollte um 10 Uhr beginnen. Da aber diverse Reden
gehalten werden mussten, verzögerte sich der Beginn um volle 30 Minuten.
Dadurch verkürzte sich die Pause zur Nachmittagsrunde, was vor allem
für die Spieler, die deutlich über die 4.Stunden-Marke gehen
mussten und dann auch noch ins Stechen, dazu führte, dass sie ohne
Mittagessen quasi den ganzen Tag durchspielen mussten.
Ich meine, sowas muss
nicht sein. Es ist doch ein Turnier für die Spieler und nicht für
die Funktionäre, welche sich auf Kosten der Pokalfinalisten eine halbe
Stunde gegenseitig versicherten, wie gut ihre Turnierserie seit 10 Jahren
funktioniere. Das zeugte von relativ wenig Sensibilität gegenüber
den Spielern. Zumindest denen, die im Pokal spielten, aber vielleicht fehlte
den Ausrichtern der Amateurmeisterschaft das Gefühl dafür, da
es bei ihrem Format einen anderen Modus gab. Man sollte vielleicht aber
auch generell über einen anderen Rahmen nachdenken für diese
Pokalmeisterschaft.
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Saal. Anderer
Winkel.
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"Und was sollen
wir jetzt machen?" -
"Ich werd' im Fernsehen
auftreten!"
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Runde der 32
Schwieriger Auftaktgegner
Die erste K.O.-Runde
wurde frei ausgelost, Sebastian zog - die Startnummer 1. Also Weiß
am 1. Brett. Allerdings war sein Gegner schon relativ stark. Gordon Andre
aus Magdeburg hatte eine ähnliche DWZ wie Bast, allerdings eine ELO
im 2300er Bereich. Damit war man übrigens schon ziemlich hoch in der
Setzliste, es gab mit IM Kopylov und IM/GM Poetsch nur zwei Teilnehmer
mit mehr als 2400 Ratingpunkten. Bast tat sich trotz der weißen Steine
in der Eröffnung recht schwer und kämpfte sich aus einer hart
verdächtigen Stellung wieder heraus. Werfen wir einen Blick auf das
Endspiel:
Sebastian
- Gordon Andre (2313)
Nach diesem Remis musste
somit also gestochen werden. Modus: Zwei Blitzpartien (3min+2sek). Stünde
es danach 1:1, eine weitere Blitzpartie. Ginge diese Remis aus, eine vierte
Blitzpartie. Ginge auch diese Remis aus, eine fünfte und letzte Blitzpartie,
die nach Armageddon-Modus ausgetragen würde. Sebastian zog Weiß
für die erste Partie, in der er im Leichtfigurenendspiel einen Bauern
mehr hatte und nahezug auf Gewinn stand, sich aber austricksen ließ
und gerade noch so Remis machen konnte. In der zweiten Partie stand Sebastian
stark unter Druck und geriet in eine Verluststellung, als der Gegner in
der heißen Schlußphase seine Dame einblunderte. Leider sind
diese Partien nicht aufgezeichnet, ein Diagramm kann ich also nicht anbieten.
Achtelfinale
Wo ist der Mehrbauer
geblieben
Wegen des verspäteten
Beginns der Vormittagsrunde hatte Sebastian nun noch vielleicht 20 Minuten,
um die Nachmittagspartie zu spielen, die für 16 Uhr angesetzt war.
Da blieb gerade mal Zeit für eine kalte Dusche auf dem Zimmer. Diese
wirkte allerdings wohl recht erfrischend, denn gegen Thomas Herz, einem
Vertreter von Baden-Württemberg, anzusiedeln im Bereich 2050-2100
Punkten, kam Bast schnell gut ins Spiel.
Mit Schwarz erreichte
er durch Zugumstellung eine ihm sehr genehme Eröffnung, welche vom
Gegner absolut nicht stellungsgemäß behandelt wurde. Bast stand
schon gewinnverdächtig, aber ließ zuviel Gegenspiel zu, der
Gegner opferte einen Bauern dafür. Später gewann Sebastian einen
Zweiten, aber der Gegner hatte immer noch Spiel. Schließlich glätteten
sich die Wogen in dieser komplizierten Partie, Sebastian verlor einen Bauern
zurück und man landete in einem einfachen Turmendspiel.
Na gut, dachte ich.
Wird schwierig, es noch zu gewinnen, aber mit dem Mehrbauern kann er noch
kneten. So sinnierend lief ich durchs Foyer, als Sebastian aus dem Saal
kam und über die Eröffnung zu erzählen begann. „Alles klar,
Sebastian. Aber langsam musst Du mal wieder rein und weiterspielen.“ –
„Nein, die Partie ist zu Ende, wir haben Remis gemacht.“ – „Hm, na gut,
ok. Ich dachte, mit dem Mehrbauern könntest Du noch ein wenig weiterspielen.“
– „Wie? Ich hatte einen Bauern mehr??“
Tja, Sebastian meinte
wohl, es wäre in dieser Hinsicht ausgeglichen, nachdem er einen Bauern
zurückgeben musste… Aber ok, es wäre so oder so schwierig geworden,
den ganzen Punkt aus dem fast trockenen Schwamm herauszuwringen. Hier die
Endstellung dieser Partie:
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Schlußstellung
Bast hatte soeben
Td7 gespielt
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Sebastian in Aktion.
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Also wieder in die
Verlängerung. Und wieder konnte Sebastian mit Weiß beginnen.
Er gewann einen Bauern, aber es tauschte sich alles ab in ein Endspiel
mit Springer gegen Läufer, wobei der Gegner sämtliche Bauern
verketten konnte. Aber Sebastian opferte einen Bauern zurück, ein
durchaus nicht klares Unterfangen, aber er konnte Spiel generieren und
die Partie zu einem vollen Punkt führen. In der zweiten Partie wich
der Gegner von der Variante der Langzeitpartie ab, aber mit einer konzentrierten
Leistung gewann Bast auch diese Blitzpartie zum 2:0 und zog in die nächste
Runde ein. Ein langer Tag ging zu Ende - und es begann eine längere
Abendvorbereitung auf den nächsten Gegner.
Viertelfinale
Epische Schlacht
gegen den Titelverteidiger
Für die Partie
am Freitag wurde Sebastian der Ratingfavorit zugeteilt, Hagen Poetsch aus
Hessen. Poetsch war als Titelverteidiger ins Turnier gegangen und hatte
zuletzt alle formalen Voraussetzungen für die Beantragung des Großmeistertitels
erfüllt. Immerhin konnte Sebastian gegen den selbsternannten Super-IM
mit Weiß spielen. Poetsch startete einen Videoblog zu diesem Turnier,
hörte damit aber leider genau mit der Partie gegen Sebastian auf
- sozusagen eine Blogkade. Poetsch wählte einen kritischen Aufbau,
und Sebastian stand früh gut. Auch im weiteren Verlauf hatte er Vorteile,
hier die Partie ab dem Mittelspiel:
Sebastian
- Hagen Poetsch (2507)
Also ging es nach dieser
Punktteilung erneut ins Stechen. Hier allerdings trat Bast zunächst
mit Schwarz an. Poetsch gab einen Bauern, bekam dafür aber Sebastians
schwarzen Fianchettoläufer. Sebastian suchte nach Spiel, aber letztlich
verlor er am Ende einer Kombination eine Figur und die Partie. Mit Weiß
gab Sebastian gleich zwei Bauern für Entwicklung. Seine komplette
Armee war aufmarschiert, während Schwarz kaum entwickelt war. Ein
Durchbruch war aber schwierig und Bast lag irgendwann zwei Minuten auf
der Uhr zurück.
Hier setzte er alles
auf eine Karte und goss immer mehr Öl ins Feuer. Poetsch musste Zeit
investieren und zog schließlich gleich. Beide waren unter 10 Sekunden,
als Sebastians Schläge dann härter waren und er einen entscheidenden
Mattangriff durchbrachte. 1:1. Es gab eine dritte Partie, in welcher nun
aber Poetsch wieder Weiß hatte. Bast verlor einen Bauern, welchen
er aber unmittelbar darauf durch eine starke Taktik zurückgewann.
Schließlich landete er in einem vorteilhaften Endspiel:
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Bast mit Schwarz
am Zug gegen Poetsch
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Wieder in Aktion.
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Hier hat Bast keine
Probleme. Seine Figuren stehen gut und der weiße Turm ist immer an
die Verteidigung des Bauern h4 gebunden. Vielleicht muss man sowas nicht
gewinnen, aber bei einem Remis hätte Sebastian in der dann zu spielenden
4. Partie zumindest mal Weiß. Jedoch, er ließ für eine
Sekunde nach und nahm mit dem Turm auf h4, wonach er am Ende seinen Bauern
d6 verlor und Weiß einen starken Freibauern auf der d-Linie bekam.
Sebastian hatte einfach nicht gesehen, dass d6 hängt. Die Partie war
nicht zu retten. Ein etwas bitteres Ausscheiden, aber besser konnte man
sich gegen so einen Gegner kaum verkaufen.
4. Runde
Das große
Kneten
Aus der Traum also
vom Pokalsieg für Sebastian, der am Nachmittag aber dennoch seine
nächste Partie absolvieren musste. Meine nicht ganz ernstzunehmende
und etwas launische Aufmunterung, er würde immerhin zu den acht besten
Pokalkämpfern Deutschlands gehören, erntete aber nur ein Abwinken:
"Ach, hör auf mit dem Sch.... :-)". Ja, das Smiley gehört zum
Zitat!
Nun ging es gegen Evgeni
Kirnos, Vertreter Nordrhein-Westfalens und spielberechtigt für den
Verband der Ukraine. Die Spieler hatten identische ELO-Zahlen, bei der
DWZ war Sebastian aber etwa 50 Punkte voraus. Wieder konnte er mit Weiß
spielen. Die Eröffnung war eher solide, nach Auflösung des Zentrums
schien auch nicht allzuviel los zu sein. Aber die weiße Stellung
hatte strategische Vorzüge, und Sebastian demonstrierte, wie man positionelle
Vorteile umsetzt:
Sebastian
- Evgeni Kirnos (2222)
Sehr gutes, strategisches
Schach und eine gute Technik. Das kann mal wohl als stellungsgerechtes
Schach bezeichnen. Ein weiterer, langer Schachtag ging zu Ende. Leistung
wurde erneut gezeigt, aber zum Halbfinale hat es wie gesagt leider nicht
gelangt.
5. Runde
Hineingelaufen
Die Abschlussrunde
am Samstag brachte Sebastian ein schwieriges Los. IM Kopylov aus Norderstedt,
was zwar zur Metropolregion Hamburg gehört, aber in Schleswig-Holstein
liegt. Kopylov, wie der Gegner zuvor, ebenfalls mit ukrainischem Hintergrund
und für diesen Verband spielberechtigt. In dieser Partie lief Sebastian
in eine Vorbereitung seines Gegenübers, der eine von Bast im Stechen
angewandte Eröffnung auf das Brett kommen ließ und eine spezielle
Variante servierte. Hier kannte sich Sebastian nicht so aus, was angesichts
der Komplexität der Stellung bzw. auch deren Schärfe seinem vorbereiteten
Gegner in die Hände spielte. Diese Partie verlor der Oldenburger relativ
schnell. Es war zum Abschluß seine einzige Niederlage in einer Langzeitpartie.
Fazit:
Leider kein Erfolg
ganz am Ende und 50% Ausbeute mit 2,5/5. Aber dennoch ein Plus von 11 ELO-Punkten,
da Sebastian starke Gegner hatte. Bis auf die Eröffnungskatastrophe
in Runde 5 ein zufriedenstellendes Turnier und konzentrierte Leistungen
von Sebastian, der sich hier gut verkauft hat. Zwei der drei Remis waren
zumindest auch mal aus der Position der Stärke heraus. Das Abenteuer
Dähne-Pokal ist somit beendet. Ein interessantes Format, gerade für
Sebastian genau richtig. Aber auch zeitintensiv, weshalb Bast zumindest
auf den diesjährigen Pokal einmal verzichtete. Hier noch eine Übersicht
über seine gespielten Partien:
Datum |
Ebene |
Runde |
Ort |
Gegner |
ELO |
Ergebnis |
Farbe |
Stechen
|
23.03.17
|
Unterbezirk |
Finale |
Oldenburg |
Wübbenhorst |
1935
|
1:0
|
S
|
.
|
08.06.17
|
Bezirk |
Halbfinale |
Oldenburg |
Rauber |
1753
|
1:0
|
S
|
.
|
27.06.17
|
Bezirk |
Finale |
Oldenburg |
Schumacher |
1770
|
1:0
|
S
|
.
|
19.08.17
|
Land |
Viertelfinale |
Lehrte |
Winkelmann |
2183
|
1:0
|
W
|
.
|
20.08.17
|
Land |
Halbfinale |
Lehrte |
Janhoff |
2014
|
1:0
|
W
|
.
|
20.08.17
|
Land |
Finale |
Lehrte |
Stoy |
2047
|
1/2
|
S
|
1:0
|
31.05.18
|
Bund |
Runde 32 |
Leipzig |
Andre |
2313
|
1/2
|
W
|
1,5:0,5
|
31.05.18
|
Bund |
Achtelfinale |
Leipzig |
Herz |
2091
|
1/2
|
S
|
2:0
|
01.06.18
|
Bund |
Viertelfinale |
Leipzig |
Poetsch |
2507
|
1/2
|
W
|
1:2
|
- frank modder,
04.06.2018
|
Autor
|
|