- Deutsche Pokaleinzelmeisterschaft, Leipzig, 2018 -
31.05. - 02.06.
 

Sebastian erreicht das Viertelfinale des Deutschen Pokals
 
Leipziger Verallgemeinerlei

Es begann in einer Kneipe in Oldenburg und endete in einem Leipziger Hotel: Nachdem Sebastian bereits im August 2017 Niedersächsischer Landespokalsieger wurde, wie an dieser Stelle berichtet, konnte er nun am Finale um den Deutschen Pokal teilnehmen, welches in Leipzig stattfand. 32 Teilnehmer, also in der Regel die Landespokalsieger  und -finalisten, spielten nach dem K.O.-Modus, allerdings konnten die Verlierer weitermachen nach dem bekannten Schweizer System, d.h. am Ende kam jeder Teilnehmer auf 5 Turnierpartien. Nur Pokalsieger konnte man nach einer Niederlage natürlich nicht mehr werden Zum Modus gleich mehr.

Das Turnier, auch bekannt als Dähne-Pokal, benannt nach dem früheren DSB-Präsidenten, begann mit einer Doppelrunde am Donnerstag und endete mit einer Runde am Samstag. Etwas ungewöhnlich, und für die Leute, die aus Bundesländern kommen, in welchen der Reformationstag kein Feiertag ist, und die wg. der Doppelrunde auch noch einen Tag früher anreisen mussten, bedeutete das, drei Urlaubstage und eine zusätzliche Übernachtung einzuplanen. Vielleicht keine so clevere Terminauswahl.
 

H4-Hotel. Randlage eben.
Zur Innenstadt waren es 15 Minuten.
Der Spielsaal. Oder ein Teil davon.

Die Pokalendrunde fand zusammen mit dem Finale der Deutschen Amateurmeisterschaft statt. Allerdings mischte man die beiden Turniere im Saal durcheinander, und man musste immer gucken, an welchen Brettern denn jetzt die Pokalleute saßen. Leider wurde das Turnier auch sehr stiefmütterlich behandelt hinsichtlich der Berichterstattung. Selbst am Tag vorher gab es nicht mal auf der Seite des DSB eine Ankündigung irgendeiner Art, auch die Seite der Amateurmeisterschaft schwieg sich aus. Immerhin stellte man einige Livebretter zur Verfügung und die Übertragung ins Netz funktionierte gut. Wenn man mal irgendwann den Link gefunden hatte.

Leipziger Zweierlei

Nachdem wir uns am Mittwoch Nachmittag durch nicht mehr zählbare Staus und Baustellen gekämpft hatten, erreichten wir am Abend Leipzig. Wir wohnten im Spiellhotel, welches zur Ramada-Kette gehört. Die Zimmer waren wirklich sehr gut, und auch der Spielsaal war an sich recht hell und vernünftig. Die Auftaktrunde am Donnerstag sollte um 10 Uhr beginnen. Da aber diverse Reden gehalten werden mussten, verzögerte sich der Beginn um volle 30 Minuten. Dadurch verkürzte sich die Pause zur Nachmittagsrunde, was vor allem für die Spieler, die deutlich über die 4.Stunden-Marke gehen mussten und dann auch noch ins Stechen, dazu führte, dass sie ohne Mittagessen quasi den ganzen Tag durchspielen mussten.

Ich meine, sowas muss  nicht sein. Es ist doch ein Turnier für die Spieler und nicht für die Funktionäre, welche sich auf Kosten der Pokalfinalisten eine halbe Stunde gegenseitig versicherten, wie gut ihre Turnierserie seit 10 Jahren funktioniere. Das zeugte von relativ wenig Sensibilität gegenüber den Spielern. Zumindest denen, die im Pokal spielten, aber vielleicht fehlte den Ausrichtern der Amateurmeisterschaft das Gefühl dafür, da es bei ihrem Format einen anderen Modus gab. Man sollte vielleicht aber auch generell über einen anderen Rahmen nachdenken für diese Pokalmeisterschaft.
 

Saal. Anderer Winkel.
"Und was sollen wir jetzt machen?" -
"Ich werd' im Fernsehen auftreten!"

Runde der 32
Schwieriger Auftaktgegner

Die erste K.O.-Runde wurde frei ausgelost, Sebastian zog - die Startnummer 1. Also Weiß am 1. Brett. Allerdings war sein Gegner schon relativ stark. Gordon Andre aus Magdeburg hatte eine ähnliche DWZ wie Bast, allerdings eine ELO im 2300er Bereich. Damit war man übrigens schon ziemlich hoch in der Setzliste, es gab mit IM Kopylov und IM/GM Poetsch nur zwei Teilnehmer mit mehr als 2400 Ratingpunkten. Bast tat sich trotz der weißen Steine in der Eröffnung recht schwer und kämpfte sich aus einer hart verdächtigen Stellung wieder heraus. Werfen wir einen Blick auf das Endspiel:

Sebastian - Gordon Andre (2313)

Nach diesem Remis musste somit also gestochen werden. Modus: Zwei Blitzpartien (3min+2sek). Stünde es danach 1:1, eine weitere Blitzpartie. Ginge diese Remis aus, eine vierte Blitzpartie. Ginge auch diese Remis aus, eine fünfte und letzte Blitzpartie, die nach Armageddon-Modus ausgetragen würde. Sebastian zog Weiß für die erste Partie, in der er im Leichtfigurenendspiel einen Bauern mehr hatte und nahezug auf Gewinn stand, sich aber austricksen ließ und gerade noch so Remis machen konnte. In der zweiten Partie stand Sebastian stark unter Druck und geriet in eine Verluststellung, als der Gegner in der heißen Schlußphase seine Dame einblunderte. Leider sind diese Partien nicht aufgezeichnet, ein Diagramm kann ich also nicht anbieten.

Achtelfinale
Wo ist der Mehrbauer geblieben

Wegen des verspäteten Beginns der Vormittagsrunde hatte Sebastian nun noch vielleicht 20 Minuten, um die Nachmittagspartie zu spielen, die für 16 Uhr angesetzt war. Da blieb gerade mal Zeit für eine kalte Dusche auf dem Zimmer. Diese wirkte allerdings wohl recht erfrischend, denn gegen Thomas Herz, einem Vertreter von Baden-Württemberg, anzusiedeln im Bereich 2050-2100 Punkten, kam Bast schnell gut ins Spiel.

Mit Schwarz erreichte er durch Zugumstellung eine ihm sehr genehme Eröffnung, welche vom Gegner absolut nicht stellungsgemäß behandelt wurde. Bast stand schon gewinnverdächtig, aber ließ zuviel Gegenspiel zu, der Gegner opferte einen Bauern dafür. Später gewann Sebastian einen Zweiten, aber der Gegner hatte immer noch Spiel. Schließlich glätteten sich die Wogen in dieser komplizierten Partie, Sebastian verlor einen Bauern zurück und man landete in einem einfachen Turmendspiel.

Na gut, dachte ich. Wird schwierig, es noch zu gewinnen, aber mit dem Mehrbauern kann er noch kneten. So sinnierend lief ich durchs Foyer, als Sebastian aus dem Saal kam und über die Eröffnung zu erzählen begann. „Alles klar, Sebastian. Aber langsam musst Du mal wieder rein und weiterspielen.“ – „Nein, die Partie ist zu Ende, wir haben Remis gemacht.“ – „Hm, na gut, ok. Ich dachte, mit dem Mehrbauern könntest Du noch ein wenig weiterspielen.“ – „Wie? Ich hatte einen Bauern mehr??“

Tja, Sebastian meinte wohl, es wäre in dieser Hinsicht ausgeglichen, nachdem er einen Bauern zurückgeben musste… Aber ok, es wäre so oder so schwierig geworden, den ganzen Punkt aus dem fast trockenen Schwamm herauszuwringen. Hier die Endstellung dieser Partie:
 

Schlußstellung
Bast hatte soeben
Td7 gespielt
Sebastian in Aktion.

Also wieder in die Verlängerung. Und wieder konnte Sebastian mit Weiß beginnen. Er gewann einen Bauern, aber es tauschte sich alles ab in ein Endspiel mit Springer gegen Läufer, wobei der Gegner sämtliche Bauern verketten konnte. Aber Sebastian opferte einen Bauern zurück, ein durchaus nicht klares Unterfangen, aber er konnte Spiel generieren und die Partie zu einem vollen Punkt führen. In der zweiten Partie wich der Gegner von der Variante der Langzeitpartie ab, aber mit einer konzentrierten Leistung gewann Bast auch diese Blitzpartie zum 2:0 und zog in die nächste Runde ein. Ein langer Tag ging zu Ende - und es begann eine längere Abendvorbereitung auf den nächsten Gegner.

Viertelfinale
Epische Schlacht gegen den Titelverteidiger

Für die Partie am Freitag wurde Sebastian der Ratingfavorit zugeteilt, Hagen Poetsch aus Hessen. Poetsch war als Titelverteidiger ins Turnier gegangen und hatte zuletzt alle formalen Voraussetzungen für die Beantragung des Großmeistertitels erfüllt. Immerhin konnte Sebastian gegen den selbsternannten Super-IM mit Weiß spielen. Poetsch startete einen Videoblog zu diesem Turnier, hörte damit aber leider genau mit der Partie gegen Sebastian auf - sozusagen eine Blogkade. Poetsch wählte einen kritischen Aufbau, und Sebastian stand früh gut. Auch im weiteren Verlauf hatte er Vorteile, hier die Partie ab dem Mittelspiel:

Sebastian - Hagen Poetsch (2507)

Also ging es nach dieser Punktteilung erneut ins Stechen. Hier allerdings trat Bast zunächst mit Schwarz an. Poetsch gab einen Bauern, bekam dafür aber Sebastians schwarzen Fianchettoläufer. Sebastian suchte nach Spiel, aber letztlich verlor er am Ende einer Kombination eine Figur und die Partie. Mit Weiß gab Sebastian gleich zwei Bauern für Entwicklung. Seine komplette Armee war aufmarschiert, während Schwarz kaum entwickelt war. Ein Durchbruch war aber schwierig und Bast lag irgendwann zwei Minuten auf der Uhr zurück.

Hier setzte er alles auf eine Karte und goss immer mehr Öl ins Feuer. Poetsch musste Zeit investieren und zog schließlich gleich. Beide waren unter 10 Sekunden, als Sebastians Schläge dann härter waren und er einen entscheidenden Mattangriff durchbrachte. 1:1. Es gab eine dritte Partie, in welcher nun aber Poetsch wieder Weiß hatte. Bast verlor einen Bauern, welchen er aber unmittelbar darauf durch eine starke Taktik zurückgewann. Schließlich landete er in einem vorteilhaften Endspiel:
 

Bast mit Schwarz
am Zug gegen Poetsch
Wieder in Aktion.

Hier hat Bast keine Probleme. Seine Figuren stehen gut und der weiße Turm ist immer an die Verteidigung des Bauern h4 gebunden. Vielleicht muss man sowas nicht gewinnen, aber bei einem Remis hätte Sebastian in der dann zu spielenden 4. Partie zumindest mal Weiß. Jedoch, er ließ für eine Sekunde nach und nahm mit dem Turm auf h4, wonach er am Ende seinen Bauern d6 verlor und Weiß einen starken Freibauern auf der d-Linie bekam. Sebastian hatte einfach nicht gesehen, dass d6 hängt. Die Partie war nicht zu retten. Ein etwas bitteres Ausscheiden, aber besser konnte man sich gegen so einen Gegner kaum verkaufen.

4. Runde
Das große Kneten

Aus der Traum also vom Pokalsieg für Sebastian, der am Nachmittag aber dennoch seine nächste Partie absolvieren musste. Meine nicht ganz ernstzunehmende und etwas launische Aufmunterung, er würde immerhin zu den acht besten Pokalkämpfern Deutschlands gehören, erntete aber nur ein Abwinken: "Ach, hör auf mit dem Sch.... :-)". Ja, das Smiley gehört zum Zitat!

Nun ging es gegen Evgeni Kirnos, Vertreter Nordrhein-Westfalens und spielberechtigt für den Verband der Ukraine. Die Spieler hatten identische ELO-Zahlen, bei der DWZ war Sebastian aber etwa 50 Punkte voraus. Wieder konnte er mit Weiß spielen. Die Eröffnung war eher solide, nach Auflösung des Zentrums schien auch nicht allzuviel los zu sein. Aber die weiße Stellung hatte strategische Vorzüge, und Sebastian demonstrierte, wie man positionelle Vorteile umsetzt:

Sebastian - Evgeni Kirnos (2222)

Sehr gutes, strategisches Schach und eine gute Technik. Das kann mal wohl als stellungsgerechtes Schach bezeichnen. Ein weiterer, langer Schachtag ging zu Ende. Leistung wurde erneut gezeigt, aber zum Halbfinale hat es wie gesagt leider nicht gelangt.

5. Runde
Hineingelaufen

Die Abschlussrunde am Samstag brachte Sebastian ein schwieriges Los. IM Kopylov aus Norderstedt, was zwar zur Metropolregion Hamburg gehört, aber in Schleswig-Holstein liegt. Kopylov, wie der Gegner zuvor, ebenfalls mit ukrainischem Hintergrund und für diesen Verband spielberechtigt. In dieser Partie lief Sebastian in eine Vorbereitung seines Gegenübers, der eine von Bast im Stechen angewandte Eröffnung auf das Brett kommen ließ und eine spezielle Variante servierte. Hier kannte sich Sebastian nicht so aus, was angesichts der Komplexität der Stellung bzw. auch deren Schärfe seinem vorbereiteten Gegner in die Hände spielte. Diese Partie verlor der Oldenburger relativ schnell. Es war zum Abschluß seine einzige Niederlage in einer Langzeitpartie.

Fazit:

Leider kein Erfolg ganz am Ende und 50% Ausbeute mit 2,5/5. Aber dennoch ein Plus von 11 ELO-Punkten, da Sebastian starke Gegner hatte. Bis auf die Eröffnungskatastrophe in Runde 5 ein zufriedenstellendes Turnier und konzentrierte Leistungen von Sebastian, der sich hier gut verkauft hat. Zwei der drei Remis waren zumindest auch mal aus der Position der Stärke heraus. Das Abenteuer Dähne-Pokal ist somit beendet. Ein interessantes Format, gerade für Sebastian genau richtig. Aber auch zeitintensiv, weshalb Bast zumindest auf den diesjährigen Pokal einmal verzichtete. Hier noch eine Übersicht über seine gespielten Partien:
 

Datum Ebene Runde Ort Gegner ELO Ergebnis Farbe
Stechen
23.03.17
Unterbezirk Finale Oldenburg Wübbenhorst
1935
1:0
S
.
08.06.17
Bezirk Halbfinale Oldenburg Rauber
1753
1:0
S
.
27.06.17
Bezirk Finale Oldenburg Schumacher
1770
1:0
S
.
19.08.17
Land Viertelfinale Lehrte Winkelmann
2183
1:0
W
.
20.08.17
Land Halbfinale Lehrte Janhoff
2014
1:0
W
.
20.08.17
Land Finale Lehrte Stoy
2047
1/2
S
1:0
31.05.18
Bund Runde 32 Leipzig Andre
2313
1/2
W
1,5:0,5
31.05.18
Bund Achtelfinale Leipzig Herz
2091
1/2
S
2:0
01.06.18
Bund Viertelfinale Leipzig Poetsch
2507
1/2
W
1:2

- frank modder, 04.06.2018
 

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